Heimeligkeit, ein ganz besonderer Schatz. Denn egal wie alt man ist, das Gefühl von Geborgenheit mag jeder. Und wenn man an seine Kindheit denkt, dann auch oft an Lieblingsrezepte aus der Kindheit, die nicht selten von Oma zubereitet worden waren. Da reicht ein bestimmter Geruch, ein bestimmter Geschmack und man hat Flashbacks vom Feinsten.
Vielleicht mit ein Grund, warum Großmutters Rezepte heute gefragter denn je sind. Zum einen liegt es daran, dass man beim Gedanken an die Lieblingssuppe aus der Kindheit, die nur Oma genau gemacht hat, wohlige Gefühle bekommt. Zum anderen, ganz klar, liegt es an der vielen Auswahl an Küchenmaschinen, die uns (erhebliche) Arbeitserleichterung versprechen. Wir trauen uns plötzlich an Rezepte, die wir unter Umständen seit der Kindheit tatsächlich auch nie wieder gegessen haben. Mag sein, dass es dennoch nicht 100% perfekt wie bei Oma wird, aber oft genug kommt man gaaanz nah dran.
Deshalb widme ich mich heute dem Brot backen. Ganz konkret dem Sauerteigbrot. Die Bude duftet, die Familie scharrt sich um den Ofen, jeder möchte nach dem Anschnitt die Knifte – selbes Prinzip wie bei der Weihnachtsganskeule. Da kloppen wir uns bis heute drum. 😉 Naja, und praktisch ist das frisch gebackene Brot noch dazu: das sonntägliche Abendessen ist gesichert (denn hey, frisches Brot aus dem Ofen? Yes please!). Und die Meute hat auch genug Brot für die Woche, egal ob sie montags früh zur Arbeit, Schule oder in den Kindergarten ausschwärmen.
Nun gibts es im Net ja eigentlich genug Rezepte für superleckere Brote aus dem Thermomix, ich aber hisse die Fahne für ein kräftiges Sauerteigbrot. Hätte das Brot nämlich bei Wayne’s World mitgespielt, wären Wayne und Garth nicht Alice Cooper sondern dem Sauerteigbrot zu Füßen gelegen. „Wir sind unwürdig! Wir sind unwürdig!“
Isso. Aber unwürdig muss sich keiner fühlen, im Gegenteil: wer dieses Brot gebacken hat, ist der Boss. Damit braucht sich keiner zu verstecken. Sauerteigbrot gebacken: Pro Level!
Gut, das klingt nun vielleicht etwas einschüchternd. Und zugegeben, das Ding mit dem Anstellgut (also dieser Pampe die den Sauerteig eben sauer macht) klingt erstmal ziemlich kompliziert. Ich weiß auch von nicht gerade wenigen, dass sie genau das abschreckt. Aber: geschenkt. Is nämlich gar nich sooo wild. Versprochen! Das komplizierteste daran ist eigentlich, das Anstellgut am Leben zu lassen. Aber je nachdem wie ihr so tickt, könnt ihr eurem Anstellgut (Codewort: ASG) ja beispielsweise einen Namen geben. Wegen weil einfache Psychologie. Das Auto wird liebevoll Karl-Gustaf genannt, der Thermomix heißt Bob, die Zimmerpflanze Agnes, das Kind heißt Samson.. und das ASG eben Frédéric. Was tut man nicht alles dafür, dass man das Auto / den Thermomix / die Pflanze / das Kind / das ASG erfolgreich am Leben hält und regelmäßig füttert, ne? Bindung ist das Zauberwort. Aber, um beim zaubern zu bleiben: die Heranzucht eines Anstellguts ist tatsächlich keine Zauberei. Glaubt mir einfach mal. 😛
Zutaten Roggen-Anstellgut („Sauerteigstarter“ – Erstherstellung):
100 g Roggenmehl
100 ml lauwarmes Wasser
Zubereitung Roggen-Anstellgut („Sauerteigstarter“ – Erstherstellung):
Tag 1: Nehmt eine Schüssel und verrührt das Roggenmehl und das Wasser zu einem zähen Brei. Deckt es mit einem feuchten Tuch ab und lasst es 24 Stunden an einem warmen Ort stehen. Bitte aber nicht direkt auf der Heizung!
Tag 2: füttert euren Brei nochmalig mit 100 g Roggenmehl und 100 ml lauwarmem Wasser. Abermals 24 Stunden, abgedeckt mit einem feuchten Tuch, an einem warmen Ort stehenlassen.
Tag 3: letztmalig das Prozedere wiederholen. 100 g Roggenmehl, 100 ml lauwarmes Wasser, feuchtes Tuch, warmer Ort, 24 Stunden, bla bla.
Tag 4: euer Anstellgut sollte fluffig aussehen und Blubberblasen vorweisen. Es sollte nun nicht mehr der feste Leim sein der er mal war sondern viel cremiger und luftiger. Hats geklappt? Dann herzlichen Glückwunsch, euer ASG ist aktiviert und sorgt künftig für eine superlockere Brotkrume!
Nun könnt ihr euer ASG direkt weiterverarbeiten oder in den Kühlschrank zum schlafen stellen. Denkt dann bitte aber daran, es (anfangs) wöchentlich zu füttern: 1 EL Roggenmehl, 1 EL Wasser. Schön verrühren und weiter schlafen stellen. Je älter es wird, desto länger hält es durch, allerdings sollte man besonders am Anfang nicht zu hoch pokern. Und außerdem: wenn regelmäßig gebacken wird, kommt man kaum in die Verlegenheit, das ASG zu vergessen.
Wollt ihr euer ASG nun aber zum Backen verwenden, müsst ihr ein wenig Geduld haben. Das anfüttern wie auch das vorbereiten des Backvorgangs braucht eine gewisse Zeit, aber hey, Ungeduld hat noch keinen weitergebracht. (#elternkluggescheiße 😉 )
Die (bei guter Pflege einmalige) Herstellung des ASGs war dann auch schon mit das Schwierigste am Sauerteigbrotbacken, versprochen. Außerdem verspreche ich, solche langen Wörter künftig sein zu lassen.
Nun habt ihr also das ASG, wie geht es denn nun weiter? Easy peasy!
Am Vortag des Backens:
Füttert euer ASG mit 100 g Roggenmehl und 100 ml Wasser. Ab in eine Schüssel, Deckel drauf und an einem warmen Ort gehen lassen. Der Rest passiert von selbst.
Am Backtag:
Es ist endlich soweit, ihr könnt loslegen! Allerdings braucht es trotzdem noch einige Stunden ehe ihr herzhaft in euer Brot beißen könnt. Aber glaubt mir, es ist es wert!
Bedenkt: heute muss euer Teig erst noch hergestellt werden (~20 Minuten), dann muss er 30 Minuten ruhen. Danach kloppt ihr ihn nochmal so richtig durch ehe er 3 Stunden reift. Und dann braucht es „nur noch“ 60 Minuten Backzeit.
Denkt auch bitte unbedingt daran, dass ihr nicht alles ASG zum Brot backen verwendet. Ihr müsst euch immer 2, 3 EL zurückbehalten, sodass ihr fürs nächste Backen wieder ASG zum aktivieren habt.
Also legen wir los. Ihr braucht..
Zutaten Sauerteigbrot (á 1000 g):
500 g Weizenmehl
250 g Roggenmehl
150 g Kerne (ich nehme gerne Mischungen: z.B. Kürbis-, Sonnenblumen- und Pinienkerne)
650 g Flüssigkeit (Hinweis: das ASG gilt auch schon als Flüssigkeit!)
20 g Salz
1-2 TL Brotgewürz (optional)
1 kleine Ecke von einem Hefewürfel (2-3 g)
Zuerst die trockenen, dann die Flüssigkeit(en) in den Mixtopf / andere Knetmaschine geben. Bei mir sind es immer ganz gerne etwas zwischen 150 und 200 g ASG hinein, und für den Rest Flüssigkeit nehme ich entweder Wasser pur oder Wasser und Buttermilch gemischt. Habe ich also 200 g ASG, gebe ich noch 450 ml anderweitige Flüssigkeit hinzu, sodass ich im Ganzen auf 650 g /ml lande.
Und das wars dann auch schon an Schwierigkeiten! Einzig der TM hat manchmal etwas zu kämpfen – haltet euch ein wenig extra Mehl bereit um es nach und nach durch die Deckelöffnung geben zu können. Bitte nur nicht zu viel. Der Teig sollte fest, aber nicht trocken sein. Wenn er sich elastisch anfühlt und nur noch minimal an den Fingern hängen bleibt, ist er perfekt. Ein Gefühl dafür bekommt ihr ganz schnell.
7 Minuten muss er nun kneten. Ob das der Thermomix macht oder ob ihr was für eure Oberarme tun wollt, ganz egal. Immer feste drauf!
Nach dieser Attacke muss euer Teig 30 Minuten in einer Schüssel, abgedeckt mit einem trockenen Handtuch, ruhen. Oder sich erholen, je nachdem wie übertrieben ihr geknetet habt. 😉
Dreißig Minuten später wird der Teig abermals durchgeknetet, aber nur noch kurz. Die Pros können ihn nun rundschleifen (hierzu gibt es etliche Anleitungsvideos auf YouTube).
Bei mir kommt der Teig daraufhin ins bemehlte Garkörbchen. Ich habs aber auch schon in eine Kastenform gepackt (mit Backpapier ausgelegt). Freestyle könnt ihr natürlich auch machen, aber meiner Erfahrung nach wird das Brot dann eher ein trauriger Fladen weil es sich in die Breite streckt statt dass es in die Höhe wächst. So ein bisschen wie bei mir, figurentechnisch. Kchrchr.
(Hinweis: ich habe keinerlei Erfahrung mit dem Backen im Römertopf, der Tupper UltraPro etc!)
Der Teig soll nun zugedeckt mit einem Tuch 3 Stunden ruhen.
Nach den 3 Stunden kommt auch endlich der Ofen an: 250°C Ober-/Unterhitze. Stellt bitte zudem ein feuerfestes Schüsselchen mit Wasser mit in den Ofen.
Sobald die Betriebstemperatur erreicht ist, legt ein Blech mit Backpapier aus und gebt eure Brote drauf (Garkörbchen natürlich vorher entfernen. Ich sags ja nur… 😉 ). Ihr könnt eure Brote einritzen wie ihr lustig seid. Ich besprühe meine Brote außerdem regelmäßig (etwa alle 15-20 Minuten) mit Wasser aus dem Blumensprüher. Vor dem backen und mehrfach während dem Backvorgang, das sorgt für eine knusprige Kruste.
Apropos Backvorgang: Nach 25 Minuten auf 250°C wird der Ofen auf 180°C heruntergestellt. Ich drehe dann auch das Blech gleich mit um da das hintere Brot meist dunkler wird als das vordere. Und natürlich drehe ich das Blech nicht auf den Kopf sondern von hinten nach vorne. Ich hoffe das war von vornherein logisch, sonst möchte ich euch bitten, dieses Rezept sofort zu verlassen. 😛
Nun bäckt das Brot nochmal 35 Minuten auf besagten 180°C, und wenn der Kurzzeitwecker endlich klingelt, ist es soweit! Geschafft, euer Sauerteigbrot ist fertig, und der Hunger ist hoffentlich riesig! 🙂
Tipp: Ich backe immer gleich zwei Brote, da wir zu fünft am Abend des backens allein schon fast die Hälfte des ersten Brotes verdrücken. Den Rest der Brote schneide ich in Scheiben und friere sie ein. Ich bin kein Fan von Brotkästen. Einfrieren hingegen hat sich für uns als perfekt erwiesen. Morgens nehmen wir so viele Scheiben raus wie wir brauchen und legen sie zum auftauen auf ein sauberes Geschirrtuch. Es dauert etwa 20 Minuten, dann kann das Brot super weiterverarbeitet werden. Wenn uns die Zeit fehlt, wandern die Scheiben kurz in den Toaster, funktioniert genauso gut.
Gut zu wissen:
Wer sich versucht fühlt, das ASG im Winter auf die Heizung und im Sommer auf die Fensterbank zu setzen – lasst es lieber. Zu viel Hitze tut dem ASG nicht wirklich gut. In die Nähe einer Heizung ist natürlich aber okay.
Und: bitte aus dem Glas raus. Milchsäurebakterien und Hefepilze lassen das ASG gären, und weil es tatsächlich auch einen gewissen Druck aufbaut, braucht es Platz um sich auszubreiten. Vielleicht, vielleicht auch nicht ist es schon vorgekommen dass ich vor Schreck fast vom Sofa gefallen bin als es den Deckel meiner Tupperschüssel hochgeploppt hat. 😛
Das ASG riecht natürlich etwas säuerlich, wobei die Leute das unterschiedlich empfinden. Manche finden, es riecht etwas nach Apfelmus. Es hat verschiedene „Geruchsfacetten“, riecht auch mal ein wenig nach Essig, aber es darf nicht scharf, chemisch oder nach Erbrochenem riechen. Schimmel ist auch nicht normal. Wenn das vorkommt, stimmt was gewaltig nicht. Allerdings ist mir das noch nie passiert. Was mir aber schon passiert ist ist, dass sich nach längerem Schlaf im Kühlschrank (und okay, vergessen zu füttern, Ruhe jetzt! 😛 ) Wasser drauf gebildet hat. Solange es aber gut riecht, rühre ich es einfach unter und füttere es wie gehabt mit Roggenmehl und Wasser. So schnell kriegt man ein ASG nicht kaputt, daher: traut euch ruhig! 🙂
Zum Thema Sauerteig aus der Tüte sei gesagt: die eignen sich nicht zum aufziehen. Die sind alleinig zum einmaligen verbacken. Solltet ihr diese füttern wollen, wird es nicht klappen.
Und weil das alles nun relativ viel zu lesen war, hier nochmal kurz und knapp…
Sauerteigbrot auf einen Blick
500 g Weizenmehl
250 g Roggenmehl
150 g Kerne (z.B. Kürbis-, Sonnenblumen- und Pinienkerne)
650 g Flüssigkeit*
20 g Salz
1-2 TL Brotgewürz (optional)
1 kleine Ecke von einem Hefewürfel (2-3 g)
Zuerst die trockenen, dann dann die flüssigen Zutaten in den Mixtopf geben. Alles 7 Minuten durchkneten, ggf. etwas zusätzliches Mehl durch die Deckelöffnung dazu geben.
Den Teig in eine Schüssel umfüllen, 30 Minuten mit einem trockenen Tuch zugedeckt gehen lassen. Danach abermals durchkneten und in ein bemehltes Garkörbchen / Brotbackform geben. Wieder mit einem Tuch zudecken und 3 Stunden ruhen lassen.
Backen: Ofen auf 250°C Ober-/Unterhitze aufheizen. Eine feuerfeste Schüssel Wasser unten rein stellen. Die Brote auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech stürzen, mit Wasser besprühen.
25 Minuten auf Vollgas backen, danach auf 180°C herunterschalten und weitere 35 Minuten backen. Zwischenzeitlich immer mal wieder mit Wasser besprühen.
Ist der Backvorgang beendet und seid ihr unsicher ob das Brot durch ist, macht den Klopftest: Mit den Fingerknöcheln auf die Unterseite des Brotes klopfen. Klingt es hohl, ist es fertig!
Guten Appetit!
*zB. Wasser oder Wasser + Buttermilch.
Hinweis: das ASG gilt auch schon als Flüssigkeit! Und bitte nicht vergessen, 2-3 EL ASG fürs nächste Mal übrig zu lassen und in der Zwischenzeit in den Kühlschrank zum schlafen zu stellen.